17:00
Ich komme gerade vom 30. Geburtstag einer Freundin in Frankfurt. Einer der anderen Gäste muss auch nach München und bietet mir an, mich mitzunehmen. Wir quatschen über Gott und die Welt, und irgendwann erzähle ich, dass ich nach sechs Jahren im gleichen Job mal was Neues machen will. Am liebsten irgendwas komplett Verrücktes: zu Forschungszwecken in die Antarktis fahren und Löcher ins Eis buddeln, europäische Touristen im Kanu über den Amazonas schippern oder irgendeinen anderen bekloppten Kram.
Als wir am Ortsschild von München vorbeifahren, meint sie plötzlich, dass ein Bekannter von ihr mal in einem sozialen Projekt in Südamerika gearbeitet hat. BÄM! Das klingt nach einer ziemlich guten Idee. Spanisch lernen wollte ich sowieso schon immer.
17:15
Keine Viertelstunde später schließe ich meine Wohnungstür auf, werfe die Tasche in die Ecke, hole den Laptop vom Schreibtisch und fläze mich aufs Sofa. Die erste Google-Suche ergibt: Es gibt tausende Projekte in Südamerika. Fast schon zu viele. Ich bin kurz davor, wieder die Lust zu verlieren.
Aber dann scrolle ich mich zwei, drei Stunden lang durch Websites und Angebote. Klar, es gibt solche Projekte nicht nur in Süd- und Mittelamerika, sondern auch in Afrika, Australien, überall. Und alles klingt super spannend. Am liebsten würde ich erst ein Jahr nach Südamerika, dann direkt ein Jahr nach Afrika… uh, uh, uh… oder vielleicht vorher drei Monate auf eine Schafsfarm in Island? Und dann noch ein Abstecher nach Australien. Und Neuseeland. Und eigentlich wollte ich doch auch immer schon mal nach Japan…
Okay, durchatmen. Einmal tief Luft holen. "Mensch Daniel, du bist doch sonst auch kein Hans-guck-in-die-Luft. Jetzt sei doch mal ein bisken reehalistisch!"
Der wichtigste Punkt ist ja das Spanischlernen. Also: Südamerika it is!
21:00
Ich habe das Gefühl, ich sollte mich am besten heute noch entscheiden, in welches Land es geht. Laptop zur Seite, Handy raus. Ich rufe zwei Freunde und meinen Cousin an, die alle kürzlich dort waren. Mein Cousin Sven schwärmt von Bolivien, mein Schulfreund Jan empfiehlt mir Peru und Ecuador, mag aber auch Chile und Kolumbien. Und Argentinien sei auch nicht zu verachten. Ach, und im Juni ist ja auch noch die Fußball-WM in Brasilien. Yikes, das wird eine schwere Entscheidung.
Der dritte Anruf bringt fast die Lösung. Helen ist begeistert von meiner Idee und sagt trocken: "Daniel, plan nicht so viel. Fahr einfach hin und guck, was dir gefällt."
Noch mal BÄM. Der Plan ist, nicht zu planen.
00:10
Die Idee, nach Südamerika zu gehen, ist gerade mal fünf Stunden alt. Aber ich bin mir schon jetzt sicher: Das ist genau das, was ich machen will. Ich schreibe meiner Familie eine kurze Mail mit dem Betreff: "Weg!" und gehe mit einem dicken Grinsen ins Bett.
Letzter Gedanke vorm Einschlafen: Wann kann ich frühestmöglich losfliegen, wenn ich morgen Wohnung und Job kündige…