10:30
Es ist zwei Tage vor Weihnachten, und ich sitze mit meiner Mutter in der Küche, als sie mich fragt, ob ich schon langsam aufgeregt wäre. Ich gucke ein wenig verdutzt, denke kurz nach und antworte: „Ähhh, das ist nicht mein erstes Weihnachten. Also eigentlich: Nein!“
Erst als meine Mutter erklärt, dass sie natürlich meine Reise nach Mittel- und Südamerika meint, fällt mir auf, dass ich in den letzten Wochen gar nicht viel darüber nachgedacht habe. Ich bin jetzt schon seit drei Wochen arbeitslos und obdachlos und hatte eigentlich geplant, diese Zeit ausgiebig zu nutzen, um mich auf den Trip vorzubereiten. Aber irgendwie gab es immer was zu tun, und ich bin zu nichts gekommen.
Ich bedanke mich bei meiner Mutter für die Erinnerung und mache mich gleich daran, eine Liste mit den Dingen zu erstellen, die ich noch vor meinem Abflug erledigen muss bzw. möchte: Auslandskrankenversicherung abschließen, impfen lassen, mich aus München abmelden, gucken, wie ich in Costa Rica vom Flughafen zur Sprachschule komme … und und und …
6. Januar
Auf geht's
13:40
Ich stehe mit großem Rucksack auf dem Rücken und kleinem Rucksack vorm Bauch am Bahnhof in Drensteinfurt. Und wieder fragt meine Mutter mich, ob ich aufgeregt bin.
„Aufgeregt sein“ ist was anderes. Ich habe zwar in den letzten Tagen viel drüber nachgedacht, aber wirklich aufgeregt? Nee.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich erstmal zu meiner Schwester nach Köln fahre, und sie mich morgen früh erst zum Flughafen bringt. Meine Liste mit Dingen, die ich vor meinem Abflug gerne machen wollte, ist schon zusammengeknüllt – das wird sowieso alles nichts mehr.
Aber immerhin: In Köln werde ich mein letztes Must-Do erfüllen. Ich war beim Globetrotter impfen und habe 9 Spritzen bekommen. 4 in den rechten, 5 in den linken Arm. Die Ärztin hat mich kurz angeguckt, genickt und dann trocken gesagt: „Das kannst du wohl aushalten.“
7. Januar
7:30
Meine Schwester Pia und ihr Mann David haben mich zum Flughafen gebracht. Das Einchecken ging schnell, jetzt heißt es Tschüss sagen. Ich nehme beide nochmal ganz fest in den Arm, bevor ich zur Sicherheitskontrolle weitergehe.
In nicht mal zwei Stunden geht’s los. Bin ich aufgeregt? Nee. Immer noch nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich erstmal nach Miami fliege und mich da noch für ein paar Tage mit Luis treffe – einem Kumpel aus meiner Toronto-Zeit.
10. Januar
17:00
Die vier Tage in Miami waren super. Obwohl es viel geregnet hat, waren wir die ganze Zeit unterwegs und haben viel gesehen. Und zum krönenden Abschluss ist die Sonne heute doch endlich rausgekommen.
Die Gelegenheit haben wir natürlich sofort genutzt und sind in die Keys gefahren – die kleinen Inseln südlich von Miami. Weißer Sand, türkisfarbenes Wasser und Palmen. So kann man’s aushalten.
Jetzt ist es allerdings Zeit für den Rückweg. Der Kurzurlaub Miami ist also vorbei. Morgen früh geht’s dann wirklich los: keine bekannten Gesichter mehr, meine Gastfamilie spricht wahrscheinlich kein Wort Englisch, und wenn ich am weißen Sandstrand mein T-Shirt ausziehe, werde ich vermutlich für alle anderen unsichtbar.
Bin ich aufgeregt? Jep. Jetzt bin ich aufgeregt!